Fazit: Die Höhe des Arbeitslosengeldes wird nur neu berechnet, wenn ein neuer Anspruch entsteht. In den letzten 2 Jahren müssen 150 Tage Beitragszeit vorhanden sein. Wenn nicht, erfolgt eine fiktive Bemessung. Unbillige Härten sollen vermieden werden. Es gibt einen Bestandsschutz. Bei kurzer Arbeitslosigkeit kann es sinnvoll sein, den Alg-Antrag abzuholen, ihn aber evtl. erst nach einem Jahr oder dann gar nicht abzugeben.
Höhe Arbeitslosengeld berechnen
– Bruttolohn >> Arbeitslosengeld
Vorschriften der Agentur für Arbeit
Zeitpunkt der Berechnung
Höhe und Dauer des Arbeitslosengeldes werden nur neu berechnet, wenn ein neuer Anspruch (Stammrecht) entstanden ist:
- Erstmaliger Arbeitslosengeld-Anspruch
Mindestens 12 Monate Beitragszeit in den letzten 24/30 Monaten - Erneuter Arbeitslosengeld-Anspruch
Nach dem Entstehen des letzten Anspruchs wurden wieder 12 Monate Beitragszeit zurückgelegt. Ob zusammenhängend oder in mehreren Abschnitten ist unerheblich.
Dass ein neuer Anspruch entstanden ist, können Sie in der Regel daran erkennen, dass sich die Höhe und die Dauer des Arbeitslosengelds ändert.
Beispiel
18 Monate Beschäftigung
04 Monate arbeitslos mit Alg (neuer Anspruch)
09 Monate Beschäftigung
03 Monate arbeitslos mit Alg (alter Anspruch)
04 Monate Weiterbildung mit Alg-W
02 Monate arbeitslos mit Alg (alter Anspruch)
05 Monate Krankengeld
arbeitslos mit Alg (neuer Anspruch)
Werte im Bewilligungsbescheid
tägliches Bemessungsentgelt (§ 151 SGB III)
>> Ihr bisheriger durchschnittlicher Bruttolohn
tägliches Leistungsentgelt (§ 153 SGB III)
>> Ihr bisheriger durchschnittlicher Nettolohn
>> genauer: Bruttolohn minus pauschalierte Abzüge
täglicher Leistungssatz (§ 149 SGB III)
>> 60/67% des Leistungsentgelts
>> Ihr tägliches Arbeitslosengeld
Höhe Arbeitslosengeld – Berechnung
Die Höhe des Arbeitslosengeldes wird nach § 150 SGB III berechnet. Berücksichtigt wird nur beitragspflichtiges Brutto-Arbeitsentgelt. Im Bewilligungsbescheid wird es „Bemessungsentgelt“ genannt.
Vom Bruttolohn zum Arbeitslosengeld
Bemessungsentgelt (Brutto-Lohn) >> Leistungsentgelt (Netto-Lohn) >> Arbeitslosengeld.
Bemessungsentgelt
Regeln der Berechnung:
- Beitragspflichtiges Entgelt
Es wird nur beitragspflichtiges Arbeitsgentgelt herangezogen.
Sonderfall: Gekürztes Entgelt in der Kurzarbeit wird hochgerechnet.
Nicht herangezogen wird:
Krankengeld/Übergangsgeld/Erwerbsmindungsrente
Erziehungs-/Pflegezeit, wenn die Arbeitszeit gekürzt war - Beim Ausscheiden abgerechnet
Berücksichtigt wird nur das beim Ausscheiden abgerechnete Einkommen. Erfolgt bspw. die Abrechnung des letzten Monats erst nach dem Ausscheiden, wird es nicht herangezogen. - 150 Tage in 1 Jahr
Es werden mindestens 150 Tage mit beitragspflichtigem Einkommen innerhalb des letzten Jahres benötigt. - 150 Tage in 2 Jahre
Werden keine 150 Tage gefunden, wird die Suche nach beitragspflichtigem Einkommen auf die letzten zwei Jahre ausgedehnt. - Fristberechnung
Rückrechnung nicht vom Tag der Arbeitslosmeldung
Rückrechnung vom Ende des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Arbeitslosmeldung.
Beispiel:
30.04.2020-20.05.2021 Beschäftigung
21.05.2021-10.06.2021 Krankengeld
11.06.2021 Arbeitslosmeldung
Fristberechnung: 21.05.2020-20.05.2021 - Pauschale Berechnung
Werden auch in den letzten zwei Jahren keine 150 Tage gefunden, erfolgt eine fiktive Berechnung (§ 152 SGB III). Diese Berechnung hat mit Ihrem früheren Einkommen nichts mehr zu tun, sondern erfolgt nach pauschalen Beträgen. - Sie haben in den letzten Monaten vor der Arbeitslosigkeit ein niederes Arbeitsentgelt erzielt? In den Monaten davor war es dagegen wesentlich höher? Zur Vermeidung von Nachteilen, kann hier eine Vergleichsberechnung erfolgen. Bei großen Differenzen spricht man von einer „unbilligen Härte„.
Leistungsentgelt
Im nächsten Schritt kommen wir vom Bemessungsentgelt zum Leistungsentgelt. Vereinfach ausgedrückt handelt es sich um den pauschalierten Nettolohn (§ 153 SGB III).
Vom Bemessungsentgelt werden abgezogen:
- 20% Sozialversicherungspauschale (Stand: 2021)
Unabhängig vom Beitragssatz Ihrer Krankenversicherung. - Solidaritätszuschlag
- Lohnsteuer
Maßgeblich ist die Steuerklasse im Kalenderjahr, in dem Ihr jetziger Alg-Anspruch entstanden ist.
Spätere Änderungen werden berücksichtigt ab dem Tag, an dem sie wirksam werden.
ABER: Ein Steuerklassenwechsel muss logisch sein (Einkommenshöhe, Heirat, Scheidung, Tod des Ehegatten).
Höhe Alg
Das Arbeitslosengeld beträgt 60/67% (Leistungssatz) des pauschalierten Nettolohns. Abhängig vom Vorhandensein von Kindern. Ohne Kind beträgt der Leistungssatz 60%, mit Kind 67%. Als Kinder zählen leibliche Kindern, Adoptivkinder, Pflegekinder und unter bestimmten Voraussetzungen auch Stiefkinder (§ 149 SGB III).
Jeder Monat rechnet mit 30 Kalendertagen, unabhängig von der tatsächlichen Dauer des Monats (§ 154 SGB III).
Unbillige Härte
Sie haben in den letzten Monaten vor der Arbeitslosigkeit weniger verdient als in den Monaten davor?
Wird das Arbeitslosengeld nur aus dem letzten Jahr berechnet, könnte eine „unbillige Härte“ entstehen. Um dies zu vermeiden, kann eine Vergleichsberechnung über einen längeren Zeitraum vorgenommen werden.
Schritte der Berechnung (vereinfacht dargestellt)
- Berechnung des durchschnittlichen täglichen Entgelts des letzten Jahres.
- Berechnung des durchschnittlichen täglichen Entgelts der letzten zwei Jahre.
- Ist die Berechnung nach Pkt. 2 um mehr als 10% höher als nach Pkt. 1, wird das höhere Entgelt nach Pkt. 2 genommen.
Konkrete Berechnung
- 1-jähriger Zeitraum ergibt 100,00€/Tag
- 2-jähriger Zeitraum ergibt 110,00€/Tag
- Genommen wird das Einkommen aus dem 1-jährigen Zeitraum.
Erst ab einem Betrag von 110,01€ wird das Entgelt aus dem 2-jährige Zeitraum genommen.
Eine Vergleichsberechnung soll die Agentur für Arbeit dann vornehmen, wenn sie dafür Anhaltspunkte erkennt. Eine Vergleichsberechnung kann aber auch von Ihnen beantragt werden.
Fiktive Höhe des Alg
In den letzten zwei Jahren wurden keine 150 Tage mit Arbeitsentgelt gefunden?
Jetzt wird die Höhe des Arbeitslosengelds fiktiv festgelegt. Dieses Entgelt hat keinen Bezug zum bisherigen Arbeitsentgelt.
Schritte
- Festlegung
Tätigkeit/Zielberuf, auf die sich die Vermittlung in Arbeit richtet. Also nicht unbedingt die Arbeit, die Sie zuletzt ausgeübt haben.
Diese Festlegung ist entscheidend.
Darauf können Sie mit Ihren Argumenten Einfluss nehmen. - Zuordnung
Welcher Qualifikationsgruppe ist diese Tätigkeit/Zielberuf zuzuordnen?
Q.-Gruppe 1: Hoch-/Fachhochschulausbildung
Q.-Gruppe 2: Fachschulabschluss (Meister oder vergleichbar)
Q.-Gruppe 3: Abgeschlossene Ausbildung
Q.-Gruppe 4) Ohne Ausbildung
Anmerkung: Wissen und Erfahrung für eine höhere Stufe kann man sich nach unserer Meinung auch auf andere Weise als dem Besuch des regulären Ausbildungsganges aneignen.
Beispiel EDV-Bereich: Auch ohne Ausbildung kann sich ein Freak die Kenntnis und Erfahrung der Qualifikationsgruppe 3 oder sogar 2 angeeignet haben. - Bezugsgröße
Grundlage ist die Bezugsgröße, die jährlich gemäß § 18 Abs. 1 SGB IV neu festgelegt wird.
2024: West 42.420EUR/Jahr // Ost 41.580 EUR/Jahr - Berechnung
Das tägliche Bemessungsentgelt (§ 152 (2) SGB III) für die Berechnung des Arbeitslosengeldes wird mit folgenden Faktoren berechnet:
Faktor Qualitätsgruppe 1: 1/300
Faktor Qualitätsgruppe 2: 1/360
Faktor Qualitätsgruppe 3: 1/450
Faktor Qualitätsgruppe 4: 1/600 - Ergebnis
Beispiel Qualitätsgruppe 1 West: 42.420 : 300 = 141,40 EUR/Tag.
Wichtig: Die angestrebte Tätigkeit wird im Gespräch zwischen Arbeitsvermittler und arbeitsloser Person festgelegt. Argumentieren Sie für einen möglichst hoch bewerteten Zielberuf.
Beispiele fiktives Arbeitslosengeld
Fiktive Eingruppierung nur, wenn Sie in den letzten zwei Jahren keine 150 Tage mit Arbeitsentgelt zurückgelegt haben. Ausschlaggebend ist dann der Zielberuf. Dies muss nicht die letzte Tätigkeit oder Ihr Berufs-/Schulabschluss sein:
Sie sind Schlossermeister, waren zuletzt aber kurze Zeit als Schlosserhelfer tätig. Wenn Sie weiterhin die Fähigkeit für eine Meistertätigkeit haben, spricht nichts gegen einen Zielberuf als Meister. Entsprechend muss die Einstufung erfolgen.
Sie haben sich mit einem Ausbildungsberuf im EDV-Bereich pluss Fleiss, Erfahrung, Begabung und Lehrgängen die Befähigung für eine Tätigkeit erworben, die sonst einen Hochschulabschluss erfordert. Hier ist nach unserer Meinung ein Zielberuf möglich, dem die Qualifikationsstufe 1 zuzuordnen ist.
Bestandsschutz
Haben Sie in den letzten zwei Jahren bereits Arbeitslosengeld bezogen? Dann wird das jetzige Alg mindestens nach dem früheren Alg berechnet. Es wird von Bestandsschutz gesprochen (§ 151 Abs. 4 SGB III).
Als „bezogen“ gilt auch die Zeit, für die Sie wegen einer Ruhenszeit (Anrechnung Abfindung, Sperrzeit …) kein Alg erhalten haben.
Reduzierung der Stundenzahl
Sie haben bisher Vollzeit gearbeitet und möchten künftig nur noch Teilzeit arbeiten? Das ist möglich, allerdings verringert sich das Arbeitslosengeld entsprechend. Es spielt keine Rolle, warum Sie die Reduzierung vornehmen. Ausnahmen: Alg-Bezug nach § 145 SGB III (Nahtlosigkeit) oder Reduzierung bei Schwangerschaft aufgrund ärztlichen Attest (Beschäftigungsverbot).
Reduzieren Sie Ihre Arbeitsbereitschaft im Laufe der Arbeitslosigkeit, erfolgt die Reduzierung ab diesem Zeitpunkt. Erhöhen Sie die Arbeitsbereitschaft (wieder), wird auch das Bemessungsentgelt für die Berechnung des Alg (wieder) erhöht. Es wird aber nie über den Umfang erhöht, den Sie durchschnittlich vor der Arbeitslosigkeit gearbeitet haben.
In Ihren Beschäftigungsverhältnissen galten unterschiedliche Wochenarbeitszeiten?
Dann errechnet die Agentur für Arbeit daraus einen „gewogenen Durchschnitt“. Wollen Sie vor einer Reduzierung der Arbeitszeit das Ergebnis selbst ermitteln, fragen Sie die Agentur nach dem ermittelten Durchschnitt. Die Formel mit Rechenbeispielen finden Sie in der Anlage zu § 151 SGB III (Stichwort. Gewogener Durschnitt).
Lassen Sie sich von der Agentur für Arbeit beraten! Sie gibt Ihnen im Vorfeld lieber Auskunft, als dass sie hinterher Ihren Ärger aufarbeiten muss.
Sie sind mit der Höhe nicht einverstanden
Bevor Sie Widerspruch einlegen, empfehlen wir Ihnen ein Gespräch mit der Agentur für Arbeit. Und dies sollte nicht telefonisch, sondern vor Ort in der Agentur stattfinden. Seit 2023 solltes es dort in der Anmeldung einen Leistungsexperten geben. Dieser kann Ihnen anhand der von Ihnen eingereichten Unterlagen erklären, warum die Agentur für Arbeit zu ihrer Entscheidung gekommen ist.
Danach können Sie immer noch Widerspruch einlegen.
Nur kurz arbeitslos – Tipp
Einen Antrag auf Arbeitslosengeld sollten Sie immer abholen. Sind Sie aber nur kurz arbeitslos, kann es sinnvoll sein, den Antrag zunächst nicht abzugeben. Eine Abgabe und rückwirkende Zahlung ist auch nach einem Jahr noch möglich.
Für die Abgabe sind maßgeblich: Entsteht ein neuer Anspruch? Wie unterscheidet sich das Einkommen vor und nach dieser Arbeitslosigkeit? Werden Sie innerhalb eines Jahres wieder arbeitslos? Lesen Sie unseren Beitrag: Kurze Arbeitslosigkeit – mit Alg-Antrag jonglieren.
§ 149 SGB III mit Fachlichen Weisungen (FW)
- Prozentsatz (Leistungssatz)
§ 149 SGB III - Kindschaftsverhältnisse
Pkt. 149.1.1 der FW zu § 149 SGB III
§ 150 SGB III mit Fachlichen Weisungen (FW)
- Bemessungszeitraum/-rahmen: Beispiele
Anlage zu § 150 SGB III - Abgerechnetes Entgelt
Pkt. 150.1.2 (1) + (2) der FW zu § 150 SGB III - Außer Betracht bleibende Zeiten bei der Berechnung
§ 150 Abs. 2 SGB III
Pkt. 150.2 der FW zu § 150 SGB III
Anlage zu § 150 SGB III - Unbillige Härte
§ 150 Abs. 3 Pkt. 3 SGB III
Pkt. 150.3 der FW zu § 150 SGB III
§ 151 SGB III mit Fachlichen Weisungen (FW)
- Viele Berechnungsbeispiele zum Alg
Anlage zu § 151 SGB III - Arbeitsentgelt – Definition
Pkt. 151.1 der FW zu § 151 SGB III - Bestandsschutz (auch für ruhendes Alg)
§ 151 (4) SGB III
Pkt. 151.4 der FW zu § 151 SGB III
Pkt. 151.6 (2b) der FW zu § 151 SGB III
Anlage zu § 151 Pkt. 151.4 - Reduzierung der Stundzahl in der Arbeitslosigkeit
§ 151 (5) SGB III
Pkt. 151.5 der FW zu § 151 SGB III
Anlage zu § 151 SGB III Pkt. 151.5 - Kurzarbeit, Altersteilzeit, Wertguthaben, Freiwilligendienst
Pkt. 151.3.6 der FW zu § 151 SGB III
§ 152 SGB III mit Fachlichen Weisungen (FW)
- Qualifikationsgruppen mit Multiplikator
§ 152 Abs. 2 SGB III
Pkt. 152.2 der FW zu § 152 SGB III
§ 153 SGB III mit Fachlichen Weisungen (FW)
- Steuerklassenwechsel muss logisch sein
§ 153 Abs. 3 SGB III
Pkt. 153.2.3 der FW zu § 153 SGB III
Anlage „Merkblatt Steuerklassenwechsel“
§ 154 SGB III mit Fachlichen Weisungen (FW)
- Jeder Monat rechnet mit 30 Tagen
Weitere Informationen
- „FAQ zur Beitragsbemessungsgrenze“
Zusammenstellung von Fragen und Antworten
-nicht veröffentlicht-
anfordern
Bemessungsrahmen
Umfasst die letzten 12 Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit
Erweiterter Bemessungsrahmen
Umfasst die letzten 24 Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit
Bemessungszeiträume
Tage mit beitragspflichtigem Entgelt im Bemessungsrahmen
Zielberuf
Der Beruf, auf den die Agentur für Arbeit Ihre Vermittlungsbemühungen ausrichtet. Wird in Absprache mit Ihnen festgelegt.
Bisherige Arbeitsstunden: Arbeitsbescheinigung Pkt. 6
Arbeitsbescheinigung
Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg